Bioshock

Digitale Evidenz gegen den Objektivismus?

Auf dieser Seit werden viele Hinweise auf den Spielverlauf von Bioshock gegeben. Weiterlesen auf eigene Gefahr!

Wenn man Ihnen die Frage stellen würde, ob Sie gerne völlig neu anfangen möchten, in einer Stadt, in der ihrem Potenzial keine Grenzen gesetzt würden und die Nutzung ihrer Fähigkeiten Anerkennung und Achtung erführe. Würden Sie es tun?

In dem Spiel Bioshock von 2007 wird diese Stadt "Rapture" genannt, erdacht und erbaut auf dem Meeresgrund vom erfolgreichen Geschäftsmann Andrew Ryan (einem halben Anagramm aus dem Namen Ayn Rand). Rapture ist nichts anderes als eine Utopie des Leistungsgedankens und eine Abkehr vom Altruismus, der, analog zu Rands Philosophie, als das Schlechte konzipiert wird, weil er direkt mit der Ausbeutung anderer zusammengedacht wird:

"Was ist der Unterschied zwischen einem Menschen und einem Parasiten?

Ein Mensch baut auf, ein Parasit fragt: 'Wo ist mein Anteil?'

Ein Mensch erschafft, ein Parasit sagt: 'Was werden die Nachbarn denken?'

Ein Mensch erfindet, ein Parasit sagt: 'Vorsicht, du könntest es dir mit Gott verscherzen!' 

Gefunden auf: https://www.myzitate.de/bioshock/

Natürlich wandelt sich die Utopie und Vision von Rapture schnell zur Dystopie. In einer komplexen Geschichte, die dem Spieler  nach und nach eröffnet wird (auch noch in Bioshock 2), zeigt sich nach einer Periode des Wohlstands der Niedergang Raptures durch die Selbstsucht verschiedener Akteure auf einem komplett freien Markt. Schöpfertum wandelt sich zum raubtierhaften Übervorteilen und zum grenzenlosen Experimentieren von Möglichkeiten. Da ethische Standards aufgehoben sind, wird eine Droge mit dem Namen ADAM entwickelt, die es erlaubt, körperliche Modifikationen durchzuführen. Mit der Zeit werden durch ADAM alle Bewohner Raptures wahnsinnig und Ryan verliert die Kontrolle über die Stadt. Es entwickelt sich ein Bürgerkrieg, in dem Jeder gegen Jeden, aber vor allem Andrew Ryan gegen seinen Hauptwidersacher Frank Fontain (eine Anspielung auf Rands Buch "The Fountainhead") steht. Im Spiel muss sich der Spieler aus Ego-Shooter-Perspektive somit durch ein Szenario des Grauens kämpfen, dessen Stimmung und Bildgewalt eines vermittelt: Egoismus mündet in Zerstörung. Bioshock ist in Ganzem ein wirkliches Kunstwerk und Kunst hat nach Ayn Rand folgende funktion:

 

"[Art] tells man, in effect, which aspects of his experience are to be regarded as essential, significant, importand. In this sense, art teaches man how to use his consciousness. It conditions or stylizes man's consciousness by conveying to him a certain way of looking at existence." (Ayn Rand (1975). The Romantic Manifesto: A Philosophy of Literature. Signet.)

(eigene Übersetzung: Kunst vermittelt dem Menschen, welche Aspekte seiner Erfahrungen als essenziell, signifikant und wichtig anzusehen sind. In diesem Sinne lehrt Kunst den Menschen, wie er sein Bewusstsein zu gebrauchen hat. Sie bestimmt oder formt das Bewusstsein des Menschen dadurch, dass sie ihm eine bestimmte Perspektive auf Existenz vermittelt.)

 

Nun ist der Egoismus, der von den Protagonisten in Bioshock praktiziert wird, nicht deckungsgleich mit der Sichtweise des Objektivismus. Die Protagonisten sind Getriebene ihrer Wünsche und Gefühle, was sie nach dem Objektivismus ja nicht sein dürften.

 

"Ryan is human and is unable to see his own flaws, unable to see the endgame as anything but an instantiation of his ideals. (Jason Rose (2015).The Value of Art in BioShock: Ayn Rand, Emotion and Choice. In: Bioshock and Philosophy. Wiley Blackwell. S: 15-26) (eigene Übersetzung: Ryan ist menschlich und unfähig seine eigenen Mängel wahrzunehmen, unfähig das Endziel als etwas anderes anzusehen als die Verwirklichung seiner eigenen Ideale)

 

Aus der Sicht des Objektivismus entsteht eine Getriebenheit durch Emotionen gerade dadurch, dass ein Mensch widersprüchliche Ziele verfolgt und seine Vorstellungen und Ideen nicht explizit gemacht hat. Emotionen sind nicht an sich, sondern immer durch die eigenen impliziten und expliziten Ideen eines Menschen bedingt:

 

"An emotion derives from a percept assessed within a context; the context is defined by a highly complex conceptual content." Peikoff (1991): Objectivism: The Philosophy of Ayn Rand. Meridian, S.157) (eigene Übersetzung: Eine Emotion leitet sich von einem Perzept innerhalb eines Kontextes ab; der Kontext is durch einen hochkomplexen konzeptuellen Gehalt definiert.)

 

Aus all dem kann man mit Jason Rose schließen, dass Bioshock keine Widerlegung der Grundidee des Objektvismus ist, sondern vielmehr die Gefahren einer falschen Auslegung desselben übersteigert illustriert:

 

"Bioshock  isn't necessarily claiming that Randian Objectivism will always lead to horror. Rather, the game is making use of Rand's own discursive method of philosophy-through-fiction to demonstrate to players what Andrew Ryan couldn't  see until it was to late - if we remain blind to the emotional side of human nature, no ideology can save us. Life isn't a matter of reason versus emotion, but rather reason as emotion, something Ayn Rand clearly understood." (eigene Übersetzung: "Bioshock weist nicht notwendigerweise darauf hin, dass Rands Objektivismus immer zu Horror führen muss. Vielmehr macht das Spiel von Rands eignener diskursiver Methode Gebrauch, Philosophy durch Fiktion zu erzeugen, um zu zeigen, was Andrew Ryan nicht sehen konnte, bis es zu spät war - wenn wir blind gegenüber der emotionalen Seite der menschlichen Natur bleiben, kann uns nichts retten. In Bezug auf Leben geht es nicht um Rationalität versus Emotion, sondern vielmehr um Rationalität als Emotion, was Ayn Rand sehr wohl verstanden hat.") (Jason Rose (2015).The Value of Art in BioShock: Ayn Rand, Emotion and Choice. In: Bioshock and Philosophy. Wiley Blackwell. S: 15-26)

 

So zeigt sich bei Bioshock ein mehr nietzscheanischer Egoismus, der durch Alogik und Gewalt brilliert und der von Ayn Rand ebenso wie der Altruismus abgelehnt wurde (physische Gewalt war für Rand als moralisches Laster absolut ausgeschlossen).

 

Insfofern, dieser Schluss mag so manchen überraschen, ist die Idee von Rapture als Utopie immer noch lebendig. Die künsterliche Darbietung von Rapture als Dystopie verweist auf ein anderes, wahrhaft objektivistisches Rapture und was eben zu vermeiden und zu tun wäre, um dieses zu realisieren. In diesem Sinne kann es weiter heißen:

Rise, Rapture, Rise! :-)

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