Grundannahmen des Objektivismus

Die Axiome

Der Objektivismus geht von drei sogenannten Basisaxiomen aus. Axiome sind Grundsätze, die nicht bewiesen werden können, weil sie selbst als Grundannahme aller geführten Beweise vorausgesetzt werden müssen. Insofern bilden sie das implizite Fundament aller Kenntnisse und Fakten und müssen als unmittelbar wahr akzeptiert werden.

Das erste Axiom bezeichnet Rand als existence exists. Es ist das weiteste aller Axiome und beinhaltet, dass überhaupt etwas ist. Es qualifiziert nicht, was dieses ist oder wie es aufgenommen wird, sondern dass reine Faktum, dass Gegebenes vorhanden ist. Ohne dieses Axiom, könnten die Frage, was genau das Existierende ausmacht, was Entitäten, Dinge etc. sind, gar nicht gestellt werden.

Das zweite Axiom ist Bewusstsein. Die Frage, was genau Existenz ausmacht, kann nur gestellt werden, wenn ein Bewusstsein diese Existenz erfasst. Ist mit dem ersten Axiom etwas gegeben, so wird mit dem zweiten Axiom darauf abgehoben, dass etwas für mich ist, wenn ich es mit Bewusstsein erfasse. Das erste Axiom ist die Voraussetzung des zweiten, da Existenz ohne Bewusstsein denkbar ist, aber nicht der umgekehrte Fall. Peikoff (1991) verweist darauf, dass selbst wenn irgendwann die materielle Basis des Bewusstseins identifiziert würde, es nichts an dieser Axiomatik ändern würde: Man muss erst einmal bewusst sein, um fragend zu solchen Erkenntnissen zu gelangen.

Das dritte Axiom ist, dass Existenz dadurch gekennzeichnet ist, dass sie Identiät ist. Sie hat keine Identität, sondern ist gerade in ihrem Sein dadurch charakterisiert, dass sie etwas spezifisches ist. Während also das erste Axiom überhaupt erfasst, dass etwas ist, gibt das dritte Axiom an, dass wenn etwas ist, es in einer unaustauschbaren, individualisierten Form von anderen Formen unterscheidbar ist. Kurz: A ist A. Mit Ayn Rand gesprochen: "A leaf cannot be a stone at the same time, it cannot be all red and all green at the same time, it cannot freeze and burn at the same time. A is A. Or, if you wish it stated in simpler language: You cannot have your cake and eat it, too." (zit. nach Peikoff 1991: 6).

Folgerungen aus den Axiomen

Existenz ist unabhängig von unserem persönlichen Bewusstsein. Dieses Outcome der Axiome verleiht dem Objektivismus letztlich seinem Namen. Dass der Objektivismus in diesem Sinne kein Idealismus ist, ihm vielmehr kategorisch ablehnt, leuchtet sofort ein, da letzterer ja gerade von der Priorität des Geistes/Bewusstseins ausgeht.

Ist der Objektivismus aber dann nicht nur eine andere Form des Materialismus? Nein, denn in diesem wird Bewusstsein als Axiom geleugnet und nur als Beieffekt oder Ursache von Materie begriffen. Bewusstssein wird also versucht, in Negation desselben zu erklären, was nach dem Objektivismus unmöglich und ein offenbarer Widerspruch ist. Aufgrund dieses ebenso irrationalen Ansatzes wie es den Idealismus als Gegenpart auszeichnet, fasst Rand Materialisten auch treffend als "mystics of muscle".

Was aber nimmt dieses axiomatische Bewusstsein wahr? Ist es nicht schon von Grund auf einer Verzerrung durch unsere Sinne unterworfen? Wie kann man von Existenz sprechen, wenn die Kognition nur ein Gaukelspiel unseres Nervensystems ist?

Wahrnehmung bildet Realität ab

Meines Erachtens kann dieser Punkt nicht stark genug gemacht werden, da er eine jahrhundertelange Argumentation zurückweist. Bekanntermaßen war es Kant, der darauf abhob, dass wir mit unseren sinnlichen Kategorien Zeit und Raum immer "nur" eine menschliche Welt wahrnehmen können, niemals aber das sogenannte Ding an sich. Die Wahrheit der Dinge ist uns also nicht zugänglich und wir sind im Grunde die Opfer einer kollektiven Sinnestäuschung. Diese argumentative Figur, dass die Validität der Sinne durch Bezug auf deren täuschbaren Charakter in Frage gestellt wird, zieht sich bis heute tief durch die Konzeptionen von allen relativistischen Theorien (wie z.B. den Konstruktivismus). So wäre die Wahrnehmung eines Knicks in einem Strohhalms durch die Lichtbrechung in einem Wasserglas kein Argument für die Fehlbarkeit der Sinne (vgl. Peikoff 1991: 40). Im Gegenteil reagieren unsere Sinne auf den gesamten Kontext und nicht nur auf Form und zeigen sich hier sehr reliabel. Licht breitet sich in verschiedenen Medien (hier Wasser und Luft) anders aus, weshalb der Strohhalm im Wasser im Vergleich zu dem Teil an der Luft geknickt erscheint. Diese physikalische Gesetzmäßigkeit wird von unseren Sinnen exakt wiedergegeben und nur wegen dieses Wahrnehmungsunterschieds können wir entsprechende Gesetzmäßigkeiten, die die Realität erfassen, aufstellen. Unsere Wahrnehmung gibt entsprechend das wieder, was ist. Es ist nun allerdings die Aufgabe diese unterschiedlichen Gegebenheiten auf der konzeptuellen Ebene unter einen Begriff zu bringen. Wenn ein Beobachter zu dem Schluss kommt, dass sich der Strohhalm tatsächlich knickt, so ist dies ein Denkfehler und kein Fehler der Sinnesdata (vgl. ebd.). Diese sind, so Rand, immer valide.

Anhand dieser Darstellung wird schon deutlich, dass die Begriffsbildung im bewussten Denken die eigentlich menschliche Aufgabe ist. Aus dieser conditio humana ergeben sich besonders wichtige ethische Konsequenzen. Lesen Sie am besten hier weiter:

 Ethik - Moral in relativistischen Zeiten